Matthias Kahle und Christian Doerr gewinnen die Lausitz-Rallye nach einem herzerfrischenden Kampf gegen ihre Skoda-Markenkollegen Julius Tannert und Helmar Hinnneberg.
Die 23. ADMV-Lausitz-Rallye wird sicherlich als ein denkwürdiges Ereignis in die Geschichte eingehen. Denn die strengen Auflagen der örtlichen Behörden und des Motorsport-Weltverbandes FIA haben den veranstaltenden Raylle-, Renn- und Wassersportclub Lausitz e.V. vor gewaltige Aufgaben gestellt. Insbesondere das Verbot von Zuschauern schien zunächst unerfüllbar.
Fans bleiben diszipliniert und zu Hause
Doch die Appelle, die über die lokalen Medien, Fachpublikationen, über Internet und Social Media verbreitet wurden, erreichen die Rallye-Fans: Sie haben die Botschaft verstanden und bleiben tatsächlich zu Hause. Die Lausitz-Rallye 2020 geht glatt und pünktlich über die Bühne und kann – dank Internet und Rallye-Radio – sogar live verfolgt werden. Der Veranstalter und die Fans haben ein Riesenlob verdient, weil sie bewiesen haben, dass auch eine Rallye mit internationalem Prädikat unter Corona-Bedingungen möglich ist.
Allerdings: Die Lausitz-typische Atmosphäre mit Fans aus Sachsen, Polen und Tschechien fehlt ebenso wie fast 40 der gemeldeten Teams, darunter alle Skandinavier. Dennoch sorgen neun Rally2-Fahrzeuge für eine starke Besetzung – und für besten Sport.
Matthias Kahle und Christian Doerr, Julius Tannert und Helmar Hinneberg sowie Carsten Mohe und Alexander Hirsch – allesamt mit Skoda Fabia Rally2 - halten die sächsisch-deutschen Fahnen hoch, die Polen sind mit Daniel Chwist (Hyundai) und Robert Kocik (Fiesta) vertreten. Jan Černy (Skoda) führt die tschechische Streitmacht an und wird von Ondrej Bisaha und Martin Vlček (beide Hyundai I20 R5) unterstützt. Der aus Neuseeland angereiste Peter Scharmach im Skoda komplettiert den Spitzenpulk. Bei sonnigem Spätherbst-Wetter rollen 58 Fahrzeuge über die Startrampe am Bärwalder See.
Packender Kampf an der Spitze
Mit der Bestzeit auf der Arena-Prüfung setzt sich ein wenig überraschend der „Altmeister“ Matthias Kahle an die Spitze, dicht gefolgt von Julius Tannert und Jan Černy, während Carsten Mohe sich noch an seinen Fabia gewöhnen muss. In der Freitagetappe erzielen Kahle und Tannert je zwei Bestzeiten, nach 40 WP-Kilometern beendet Kahle den Tag mit einer 1-Sekunden-Führung vor Tannert. Černy und Mohe balgen sich um Rang 3, dann folgen Chwist, Vlček, Bisaha und Kocik. Das starke NC1-Feld führt Dark Liebehenschel im Evo 9 an vor Jeffrey Wiesner, der seinen Subaru beim ersten Einsatz auf Anhieb flott bewegt.
Am Samstagmorgen starten 56 Teams zur langen Samstagetappe mit acht Wertungsprüfungen über 125 Kilometer. Julius Tannert erwischt den besten Start, setzt am Findlingspark Nochten die Bestzeit und übernimmt mit acht Zehntelsekunden Vorsprung die Führung. Doch wie gewonnen so zerronnen: In der nächsten Prüfung schießt er an einem Abzweig vorbei und büßt 20 Sekunden ein – eine erste Vorentscheidung. Nun führen wieder Matthias Kahle und Christian Doerr mit einem kleinen Polster.
Für den Rest des Tages teilen sich Kahle und Tannert wieder die Bestzeiten, die Verteilung lautet am Ende 6:5 für Kahle. Tannert versucht einen letzten Angriff in der Reichwalde-Prüfung, mit 20 km die längste, doch Matthias Kahle fährt hier 11 Sekunden schneller. Tannert: „Ich war gut unterwegs, habe keinen Fehler gemacht, aber bei meinem ersten Lausitz-Start komme ich nicht an Matthias ran.“ Matthias Kahle trocken: „Ich kenne mich hier am besten aus.“ Christian Doerr: „Wir hatten den besten Schrieb.“ Matthias Kahle und Christian Doerr gewinnen schließlich mit 26 Sekunden Vorsprung vor Julius Tannert und Helmar Hinneberg. Für Kahle ist es der fünfte Lausitz-Sieg, für Doerr der vierte.
Bisaha siegt in der European Rally Trophy
Ein ebenso spannendes Duell fechten Jan Černy und Carsten Mohe um Rang 3 aus. Den ganzen zweiten Tag fahren sie fast identische Zeiten, liegen einmal sogar auf die Zehntel gleich. Mit dem Messer zwischen den Zähnen setzen Jan Černy und Petr Černohorsky am Bärwalder See die letzte Bestzeit des Tages und verweisen Carsten Mohe und Alex Hirsch auf den undankbaren vierten Platz. Weil Daniel Chwist im Hyundai zweimal Baumkontakt verzeichnet, rücken seine Markenkollegen und Martin Vlček und Ondrej Bisaha auf die Plätze 5 und 6 vor. Das reicht für Ondrej Bisaha und Petr Těšinsky zum Gewinn der FIA European Rally Trophy.
Dramatisch verläuft der Kampf um den Sieg in der Klasse NC1. Hermann Gaßner verabschiedet auf WP 6 aus dem Spitzentrio, weil ein Findling am falschen Platz steht. Dark Liebehenschel und Anne Stein (Evo 7) können den Vorsprung gegenüber Jeffrey Wiesner und Marcel Eichenauer (Impreza N12) Sekunde um Sekunde ausbauen. Auf WP 11 verliert Wiesner durch einen Plattfuß den Anschluss, während Liebehenschel mit einer Bombenzeit sogar am Fiesta R5 von Kocik vorbeizieht. Doch nach der Zieldurchfahrt trifft Liebehenschel mit dem Heck einen Findling, reißt ein Rad ab und bleibt mitten auf der Piste liegen. Ein Feuer wird schnell gelöscht, die Prüfung unterbrochen. Liebehenschel, der den Schotter-Cup-Sieg vor Augen hat, wird zum tragischen Held der Lausitz-Rallye.
Somit gewinnen die Opel-Astra-Piloten Bernd Knüpfer und Daniel Herzig den Schotter-Cup als bestes Team in der Gruppe F bis 2000 cm³, während sich Marc Bach und André Seelisch im Evo 9 als Klassendritte hinter Wiesner und dem Letten Aurimas Eidziunas (Evo 9) die ADMV-Rallye-Meisterschaft sichern. Die Ausfallquote ist bis Mittag gering, schnellt aber am Schluss kräftig in die Höhe: Noch 36 Fahrzeuge rollen über die Zielrampe.
Autor: Alfred Gorny