Heute habe ich „Schrankendienst“. Schranke aufschließen, unseren Skoda durchfahren lassen und danach die Schranke wieder schließen. Insgesamt 18 Mal auf knapp über 20 Kilometern. Schließlich soll niemand nach uns auf die Idee kommen, die privaten Wald- und Schotterwege einfach so zum Vergnügen zu befahren. Doch wozu das alles?

Gemeinsam mit Jonny Trost - Leiter Streckensicherung, kurz LS genannt - und Organisations-Leiter Wolfgang Rasper fahren wir die Wertungsprüfungen der diesjährigen Lausitz-Rallye ab, um einen detaillierten Sicherheitsplan für DMSB und FIA zu erstellen. Denn die Sicherheit von Fahren, Helfern und Fans steht an oberster Stelle.

Den Streckenposten kommt innerhalb der Streckensicherung dabei eine entscheidende Aufgabe zu. Sie gewährleisten die schnelle Kommunikation zwischen Rallyeleitung, WP-Leiter, Funkposten und Fahrern. Außerdem sind sie meist die ersten Helfer, sollte es zu einem Abflug oder Unfall kommen.

 

Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen

Jonny Trost - Leiter der Streckensicherung - legt die Positionen der Posten festJonny Trost, gebürtiger Thüringer und jetzt bayerischer Schwabe, kennt das Prozedere genau. Der 54jährige ist seit 2005 bei der Lausitz-Rallye an Bord und kann so auf reichlich Erfahrung zurückgreifen. In gleicher Funktion hat er schon bei der Thüringen- und der Osterburg-Rallye und einigen anderen mitgewirkt. Der Speditionsangestellte hat sein Handwerk schon zu DDR-Zeiten gelernt und ist quasi in die Szene reingewachsen. Angefangen hat Jonny als WP-Leiter in Pößneck und sich danach sukzessive weiterqualifiziert. Dazu zählen Lehrgänge, Prüfungen und eine Auffrischung der Kenntnisse alle drei Jahre. 

„Der LS kommt meist an die WP gefahren, mault bissl rum und fährt dann weiter“, beantwortet er ironisch und mit einem Lachen meine Frage nach seinen Aufgaben während der Rallye. Dass weitaus mehr dazu gehört, wird mir bei unserem gemeinsamen „Ausflug“ bewusst. Die verantwortungsvolle und wichtige Arbeit ist deutlich umfangreicher.

 

Hirsche, Hasen und ein Abzweig, der es in sich hat

Alle Details des Sicherheitsplans werden protokolliertWir rasseln mit 40 km/h über die Schotterpiste der „neuen“ WP Reichwalde. Hier sagen sich Fuchs und Hase sprichwörtlich „gute Nacht“ aber wir haben Glück, heute sind nur ein paar Langohren und ein Hirsch unsere tierischen Begleiter.

Okay, die Prüfung Reichwalde wurde schon vielfach befahren, aber immer wieder verändert sich die Landschaft und auch die Streckenführung ist von Jahr zu Jahr anders. Doch schon beim langsamen Abfahren wird klar, dass Reichwalde mal wieder DAS Highlight sein wird. Auf 20,38 Kilometer wechseln sich weite Driftkurven mit Sprungkuppen und enge Passagen zwischen Bäumen und Sträuchern ab. Für mich die perfekte Mischung aus Finnland (fast and flowing) und Wales (forest roads)!

Jonny und Wolfgang arbeiten hoch konzentriert. Nach einem festen System werden Funkposten, Hauptfunkposten, Zuschauerposten und Rettungsausfahrten definiert und protokolliert. So sind maximal aller fünf Kilometer Hauptfunkposten vorgesehen, die im Notfall eine schnelle Kommunikation und reibungslose Koordination der Rettungsmittel sicherstellen. Zur nachträglichen Überprüfung wird alles auf Video und mit GPS-Daten festgehalten.

Intensive Diskussionen führen beide über die Positionierung von Start und Ziel der Prüfung, über die Absicherung der Kurveninnenseiten oder die Versetzung von Scheitelpunkten. „Wir müssen potentielle Gefahrenstellen wie Begegnungspunkte, wo Rallyeautos sich aus mehreren Richtungen an Kreuzungen treffen können, und Sprungkuppen begutachten und mit Blick auf die Sicherheit bewerten“, erläutert Jonny und springt aus dem Auto um sich zu Fuß ein Bild zu machen. Auch die Zuschauerpunkte werden kritisch hinterfragt. Von wo aus können Zuschauer an die Strecke gelangen? Wo sind Absperrungen notwendig?

 

Eine Stunde für fünf WP-Kilometer

Diese und weitere blinde Kuppen werden Spaß machenReichlich eine Stunde haben wir benötigt, um fünf Kilometer Strecke aufzunehmen und nach insgesamt zweieinhalb Stunden lassen wir die Wertungsprüfung „Reichwalde“ hinter uns. Allein die erste Hochrechnung zeigt, dass zur Absicherung dieser einen Prüfung zirka 60 Streckenposten notwendig sind. Nach demselben Prinzip erarbeiten wir uns an diesem Dienstag noch drei weitere Wertungsprüfungen.

Die für mich spannendste Stelle das Tages: Eine zirka ein Kilometer lange und breite Vollgas-Passage mit drei blinden Kuppen. Nach der letzten Kuppe heißt es sofort hart runterbremsen, denn nach etwa 150 Metern geht es in eine scharfe Spitzkehre. Wer dort volles Rohr angesegelt kommt, kann den Bremspunkt leicht verpassen. Jonny legt fest, „dass es deshalb hier eine besonders große Auslaufzone und einen Hauptfunkposten geben wird.“ Und auch Wolfgang ist begeistert: „Nicht-Schotterfahrer wissen ja gar nicht, was sie hier verpassen.“

Ein intensiver Tag neigt sich dem Ende entgegen. Nur nicht für Jonny. Er muss im Nachgang seine Notizen einarbeiten, Karten grafisch ergänzen und den Sicherheitsplan genehmigungsfähig ausarbeiten. Aber darin hat er inzwischen Routine, so dass sich Teams, Helfer und Fans sicher sein können, dass in puncto Sicherheit nichts dem Zufall überlassen wird.

Autor: Björn Fröbe